Ist Kunst Illusion?

In seiner Streitschrift "Ist Kunst Illusion?" verteidigt Karl Heinz Bohrer die Kunst gegen eine Kulturwissenschaft, die im Kunstwerk nur einen Abklatsch der gesellschaftlichen Verhältnisse sieht. Für Bohrer beschreibt der Begriff der Illusion den Wesenskern aller Kunst. Er hält es eher mit der Illusion, mit dem Schönen, aber auch mit der "Ästhetik des Schreckens".

Bohrer argumentiert, dass sich die Ästhetik der Kunst gerade gegen die alltägliche Wahrnehmung der Welt richtet und ein Kunstwerk nie vollständig zu erklären ist. In seinem Kampf gegen das "antiillusionistische Ressentiment" versucht er, Kunst nicht aus der Interpretation zu begreifen, sondern aus ihrem Vollzug.

Rezeption und Einordnung

Die Rezensenten zeigen sich gespalten in ihrer Bewertung von Bohrers Thesen:

Michael Stallknecht lässt sich von Bohrers Essays gefallen, in denen er den deutschen Kunstspießer angeht, der die Kunst mit Hegel auf die Wahrheit verpflichten will. Stallknecht glaubt zwar, dass sich Bohrer in seinem Kampf gegen das "antiillusionistische Ressentiment" vergaloppiert, aber er würdigt den Ritt als "singulären" Versuch.

Wolfgang Sofsky scheint es nicht ganz recht zu sein, was Bohrer hier mit der Kunst anstellt. Ästhetische Erfahrung als wahrheitsfern zu definieren, erscheint ihm unnötig und errichtet "unnötige Deutungsbarrieren". Auch wenn Sofsky allzu plumpe Aktualisierung durchaus Empfindungen zunichte machen kann, mag er Bohrers Abwehr "kunstfremder Übergriffe" nicht unterschreiben.

Insgesamt positioniert sich Bohrer mit seiner Verteidigung der Illusion in der Kunst gegen eine Instrumentalisierung der Kunst für gesellschaftliche Zwecke. Er plädiert für ein Verständnis von Kunst als autonomer ästhetischer Erfahrung jenseits von Wahrheit und Moral.